Funktion, Ortslage und Gebäude
Die ehemalige Spiritus-Brennerei in Cöthen ist heute ein Ort für Kultur, Technik, Konfrontation und Begegnung. Sie ist Teil der ehemaligen Gutshofanlage derer von Jena und beinhaltet als technisches Denkmal die älteste am Originalstandort befindliche Dampfmaschine in Berlin und Brandenburg.
Das Brennereigebäude liegt zentral im Ort an der Landstraße L35 schräg gegenüber der Schinkelkirche und dem denkmalgeschützten Backhaus in neu-gotischer Bauweise.
Es handelt sich bei der Brennerei um ein ortstypisch zyklopisches Feldsteingebäude mit Mischmauerwerk in Bogen-Gewölbe-Bauweise mit ca. 3,5m hohem Kellergewölbe, 4,4m hoher Maschinenhalle und 8m hohen Saal. Im Ostgiebel liegen zwei behauene Jahressteine vor: Einer datiert von 1808, der andere von 1842.
Brenn- und Braurechte in Cöthen
Das Brenn- und Braurecht Cöthens geht jedoch schon auf 1745 zurück. Zuvor war ausschließlich Neustadt-Eberswalde berechtigt gewesen, Branntwein und Bier im Cöthener Krug auszuschenken.
Schankrechte waren von nicht zu vernachlässigender wirtschaftlicher Bedeutung und riefen in dem alten Belieferungsgebiet Neustadt-Eberswaldes nach dem 30 jährigen Krieg – sofern dieser für Neustadt- Eberswalde zu einem Engpass in der Möglichkeit der Belieferung geführt hatte und viele Dörfer anderweitig ihre Versorgung gesichert hatten - zu einer Vielzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Ein zur Klärung gedachter Receß von 1668 sprach neben vielen anderen Schanklagen auch die Cöthens auf ein neues Neustadt-Eberswalde zu. Doch die Streitigkeiten zwischen Stadt, Gutshöfen und Dörfern endeten damit nicht.
In Cöthen wurde der diesbezügliche Streit jedoch besonders schnell entschieden:
Während anderweitig viele Taler an die Stadt als Strafe und oder Ablöse gezahlt werden mussten und jahrelange Prozesse geführt wurden, die im Zweifelsfall auch schlichtweg mit der Schließung eines Kruges enden konnten, wurde in Cöthen der Streit - in dem an und für sich zugunsten der Stadt klaren Fall - durch eine Cabinets-Ordre vom 18. May 1745 niedergeschlagen und die Krug-Verlags-Gerechtigkeit dem geheimen preußischen Justizrat Gottfried von Jena, Gutsherr zu Cöthen zugesprochen.
Alltag im Krug 18.Jh.
Wirtschaftliche Bedeutung
des Brennrechtes
Zunehmend bildet ab nun der Brennereibetrieb den wirtschaftlichen Mittelpunkt der sich über
Dannenberg, Falkenberg und den Gamensee erstreckenden Besitzes derer von Jena.
Während in der frühen Zeit der Cöthener Brenn- und Braurechte tatsächlich noch der Ausschank von Branntwein und Bier an die Bevölkerung im Mittelpunkt steht, wird Alkohol im 19.Jh. zu einem noch viel mehr versprechendem, wirtschaftlichen Gut: Dem Kraftstoff für neu entstehenden Maschinen, den ersten Ottomotoren.
Die von Jenas investieren also in die Alkoholproduktion: Unter Karl von Jena wird die Brennerei 1808 aus Feldsteinen und Ziegeln in solider Tonnengewölbebauweise erweitert oder neu errichtet, unter Wilhelm
von Jena 1842 erweitert und zudem 1875 mit einer großen und teuren Dampfmaschine ausgestattet, die noch bis 1971 Antriebsmittel der Rühr- , Pump- und Stampfwerke der Cöthener Brennerei bleibt.
Gebrannt wurde in Cöthen – vermutlich innerhalb verschiedener zeitlich aufeinander folgender Produktionsphasen - aus Kartoffeln und
Getreide, insbesondere Gerste.
Anders noch als im 19 Jh. wird im 20. Jh. Spiritus vermehrt in der Kunstfaserproduktion und der Produktion von Kautschuk benötigt.
Familien-Wappen derer von Jena
Ende der Ära derer von Jena in Cöthen
Nach dem ersten Weltkrieg und mit dem Ende des Ritterstandes und dem Ende der Weimarer Republik geht Wilhelm von Jena 1932 Pleite, die mehr als 200 Jährige Ära derer von Jena in Cöthen endet.
Die „Siedlungsgesellschaft der vereinigten Bauernvereine“ übernimmt so von 1932-1934 Besitz und Betrieb der Brennerei Cöthen. Ganz kurz hat die „Siedlungsgesellschaft der Vereinigung der deutschen, christlichen Bauernvereine m.b.H.“ Besitz und Betrieb inne, jedoch schon im selben Jahr noch 1934 gehen Besitz und Betrieb in die Hand der „Köthener Genossenschaftsbrennerei“.
Kurz nach Ende des 2. Weltkrieges um 1945 wird Karl Bohm, Brennmeister zu Cöthen, tot aus dem Gamensee geborgen. Dessen Vater, Gustav Bohm, war der erste Brennmeister
in Cöthen gewesen, welcher den komplexen Brennbetrieb mit der Dampfmaschine als Antriebsmittel betreut hatte.
Nach dem 2. Weltkrieg
1949 wird nun Fritz Kohlhoff der neue Brennmeister zu
Cöthen. Unter Fritz Kohlhoff wird der gesamte Brennbetrieb inklusiver seiner selbst von
lediglich 3 Männern geleistet. Der Betrieb läuft 24h.
Vor der Brennerei, neben dem Kesselhaus (abgerissen 1980er): Hochzeitsbild der Tochter Ellen des letzten Brennmeisters zu Cöthen Fritz Kohlhof, rechts im Bild
1961 gibt die Köthener Genossenschaftsbrennerei die Cöthener Brennerei an die „LPG
„Neue Ordnung Danneberg“ ab, welche sie laut Grundbuch bis 1998/1999 behält.
Die LPG "Neue Ordnung Danneberg" stellt bereits 1971 bei Tod des Brennmeisters Fritz Kohlhoff den Brennbetrieb ein, sprengt
1979 den Schornstein, reißt das Kesselhaus ab und verwertet Kupfer sowie sonstige
Buntmetalle.
Angeregt durch Dr. Ernst Denk und den damaligen Kulturbund der DDR, Sektion Technische
Denkmale wird jedoch die innenliegende Dampfmaschine der Brennerei 1987 in die
Kreisdenkmalliste des Kreises Bad Freienwalde aufgenommen. Dadurch ist das
öffentliche Interesse am Erhalt dieses bemerkenswerten technischen Kulturgutes bereits
1987 aktenkundig.
Artikel von 1987 anlässlich Denkmalwerdung u.A. der Dampfmaschine Cöthen
Niedergang der Brennerei Cöthen
Trotzdem - und laut Grundbuch noch in der Hand der LPG Neue Ordnung Dannenberg, welche noch 1988 "im Rahmen eines Initiativvorhabens unserer Bürger" eine "Studie zur Rekonstruktion des Hauses der "Alten Brennerei" in Cöthen" beauftragt hatte - wird der Brennerei um 1990 das Dach entfernt, indem man
die Dachlatten einschlägt und das Dach nach innen brechen lässt
Brennerei Cöthen, um 1989 kurz vor Entfernung des Daches
Von nun an der Witterung schutzlos ausgeliefert, verwahrlost das Mitten im Ort stehende, historisch
wertvolle Gebäude samt Denkmal zusehens.
1999 wird die Treuhand als neuer Besitzer eingetragen. Die Treuhand nun lässt 2000
einen Bauunternehmer Besitzer der Brennerei werden, welcher das Gebäude zusammen
mit dem Nebengebäude schon 2002 wieder an einen Berliner Geschäftsmann verkauft,
der Insolvenz anmelden muss und so seinen Besitz wieder verliert. Spätestens ab dieser
Zeit wurde die Brennerei Cöthen samt Gelände als wilde Müllhalde genutzt. Der
Straftatbestand der illegalen Müllentsorgung wird behördlicherseits „übersehen“, sofern er
fälschlich als „Privatsache“ eingestuft wird.
Brennerei 2015 innen und außen
Phönix aus der Asche - Wiederauferstehung
2015 wird die Brennerei in katastrophalem, abrissreifem Zustand zusammen mit dem
anliegenden Wohngebäude von zwei Künstlern erworben, die zunächst über 500 Tonnen
Müll, darunter Altöl, Asbest, Teerpappe, Autoreifen, Sperrmüll und Bauschutt sortieren und
entsorgen.
Der Denkmalstatus der Dampfmaschine wird bei einer erneuten Begehung durch den Denkmalschutz auf dem Fuße des schon bestehenden Denkmalstatus durch Dr. Matthias Baxmann nochmals aktualisiert und bestätigt. In Folge wird das besondere Gebäude durch die neuen Besitzer mit Hilfe von Eigenmitteln, staatlichen Förderungen
und viel Arbeit wieder aufgebaut.
Ein Treffpunkt für Menschen, Technik und Kultur entsteht. Im Rang eines nationalen Denkmals wird die Damfmaschine
ab 2021 wieder zum Betrieb mit Dampf Instand gesetzt. Seit Sommer 2022 steht die Brennnerei für Ausstellungen, Veranstaltungen und Besucher offen.
Brennerei Cöthen 2020