Das mit dem Nachhaltigem und Fairen ist so eine Sache: Die Einen halten Laibles wie "Nachhaltig", "Fair" und "Bio" vorallem für eine Fahne der Ungerechtigkeit, mit der sich diejenigen, die vom Wirtschaftssystem ohnehin als Vielverdiener oder Erben bevorzugt sind, denjenigen gegenüber, die vom Wirtschaftssystem benachteiligt sind, auch noch als moralisch überlegen, besser und gut präsentieren...
Die Anderen halten das Nachhaltig und Faire schlicht für die einzige Möglichkeit, das, was an Natur und menschlichem Miteinander schön, lebendig und liebenswert ist, zu erhalten.
Für wieder Andere sind Laibels wie Nachhaltig und Fair bestenfalls gelungene Marketing Strategien, nicht aber etwas, das tatsächlich mit den so ettiketierten Produkten erreicht worden sei oder werden könnte.
Und nicht Wenige wollen von allem einfach nichts mehr wissen und einfach kaufen, was Ihnen schmeckt und sie sich gut leisten können. Sie wollen Umgang mit Menschen pflegen, so, wie es ihrer spontanen Symphatie oder Abneigung entspricht, sie wollen sich selbst und ihr Handeln nicht fortwährend hinterfragen, sie wollen bei ihren Geschäften keine Verluste machen und sie wollen einfach "gut leben", so wie es dem Standart ihrer Gesellschaft entspricht.
Wir sehen die Sache so: Würden wir z.B. unsere Schuhe und Kleidung beim Schuster und Schneider vor Ort maßfertigen lassen - statt sie annonym von irgendwelchen Großmarken zu erwerben, die irgendwo irgendwelche Arbeiter:innen beschäftigen, die in schlecht belüfteten Hallen an den Fasern unserer jede Saison wechselnden Wäsche nach und nach ersticken - dann gäbe es in jeder Strasse mindestens einen Schuster und zwei Schneider.
Würden wir Obst und Gemüse beim Gärtner um die Ecke und Brot und Brötchen beim Bäcker nebenan kaufen, statt die lecker-schmecker China-Backlinge im Supermarkt, gäbe es in jedem Ort - auch schon bei nur 100 Einwohnern - zwei Bäcker und zwei Obst-und-Gemüse-Gärtner. Käme die Belieferung der Städte mit landwirtschaftlichen Produkten aus Kleinbetrieben noch hinzu, gäbe es auf dem Land bald Überbeschäftigung.
Die Arbeitswelt wäre eine andere, die Lohnstrukturen wären andere und das Selbstbewusstsein der Leute wäre ein anderes.
Kurz: Unser Einkaufsverhalten hängt mit unserer Arbeitswelt direkt zusammen. Wenn uns nicht interessiert, "Wo das Zeug eigentlich herkommt", interessiert es uns auch nicht, wie es bei uns und anderswo "eigentlich zugeht". Mit welchem Recht beschweren wir uns dann darüber oder stellen irgendwelche Ansprüche?
Es macht überhaupt keinen Sinn, innerhalb des eigenen Landes soziale Ungerechtigkeit und die fortwährend aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich anzuprangern und gleichzeitig mit dem wenigen, das man hat, durch ein Einkaufsverhalten, das ausschließlich auf niedrigen Preis, große Menge und 24h-Verfügbarkeit zum 0-Tarif ausgerichtet ist, genau diese und nur diese Strukturen zu unterstützen.
Ein pseudo-billiger Supermarkt suggeriert jeder:m, er:sie könne alles haben und es stünde ihm:ihr auch zu, da es ja verfügbar ist. Tatsächlich aber steht es niemandem zu, sich auf einer nunmal schon eingerichteten Amoralität in Tierhaltung, Umgang mit Pesitziden und Düngemitteln, Transportwesen und globalem Abreitskräftemarkt zornig und doch bequem auszustrecken. Wir machen das einfach. Wir sind es so gewohnt. Wir wollen immer mehr, nicht weniger. Auch wenn es uns eigentlich gar nichts bringt und nirgendwo hinführt. Wir beschweren uns über die anderen.
Zum Gesund-und-Gut-Leben braucht der Mensch eigentlich nicht soviel. Nicht soviel, dass er sich bei dem, was er tatsächlich braucht, nicht um nachhaltige, faire und vor der Natur vertretbare Bedingungen kümmern könnte. Für 7 Cent aus China importierte Brötchen aus dem Supermarkt, die die hiesige Jahrhunderte alte Backkultur innerhalb von wenigen Jahrzehnten weitestgehend platt gemacht haben, gehören sicher nicht zur sinnvollen Grundversorgung einer Gesellschaft. Ja, diese Backwaren und andere Produkte sind für den End-Verbraucher praktisch, einfach, bequem und günstig.
Und ja, wir mögen es praktisch, einfach, bequem und günstig. Aber um keine vernichtenden Handels-Strukturen zu bedienen, muss man über den eigenen Tellerrand schauen. Schneller mehr kaufen können wollen, ist dabei sicher keine gesunde Maxime. Reduktion auf wesentliche und gute Dinge ist für jede_n selbst und die Gesellschaft gesünder.
So sprach er:sie von der Kanzel, wobei kaum noch jemand im Raum war. Die meisten waren mit Cola, Chips und Tröten schon zum Flußballspiel gegangen. Andere sahen mittlerweile "Schöner Wohnen" und "Gesundheitsmagazin Praxis" im Fernsehen. Wieder andere waren schon seit einger Zeit, wann genau sie sich ausgeklinkt hatten, kann nicht mehr festgestellt werden, mit einem Selfie beschäftigt.
Doch er:sie sprach weiter: Wir bewegen uns nicht nur innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Strukturen, sondern wir bewegen diese auch mit. Aktiv tun wir dies genau in dem Maße, in dem wir das Angebot an Produkten, aber auch das Angebot an Nachrichten, Meinungen, Diskursen, Haltungen und unsere Adaption daran und damit verbundene gesellschaftliche Gruppen, systematisch hinterfragen. Ja, wir richten unsere Meinung nach den anderen. Ja, der Anpassungsdruck geht immer von der Masse und den Erfolgreichen aus! Aber: Muss die Masse denn wirklich immer so dumm und die Erfolgreichen immer so asozial sein? Ist das Asoziale und Dumme denn tatsächlich das Einzige, was uns wirklich nachhaltig beeindruckt und formt?
Es stimmt, das Leben eines konkreten Menschen ist in Raum und Zeit sehr begrenzt. Wir können alles und uns selbst nicht ständig hinterfragen. Dennoch müssen wir uns nicht fortwährend verhalten wie vollkommen beschränkte, gierig sabbernde, selbst-optimierungs-süchtige, Pseudo-Individual-Kanallien! Oder doch?
VIEL ZU KOMPLZIERT! HALT'S MAUL! grölte es von igrendwo her und dann bekam er:sie einen Ball an den Kopf.
Die Begriffe "nachhaltig", "fair" und "bio" fanden in der Praxis so ihre Grenze.
In der darauffolgenden Woche wurde dem:derjenigen, der:die Ball geworfen hatte, mitgeteilt, dass aufgrund der Einführung von Lagerrobotern des Typs DtsY (Digitalthatshitsonyou), die nunmal einfach fehlerfreier und schneller funktionierten, eine Weiterbeschäftigung in der Lagerlostig bei Amaozon nicht erfolgen würde.
Die Weiterversorgung der:des damit arbeitslosen Lagerarbeiter:in sei jedoch durch das neu etablierte, staatliche Programm yatb-watwby (you are the betreut - we are those who betreu you), kurz care-k, gesichert. Auch könne er:sie unbesorgt sein: Ballspiele zur Aggregssionsbewältigung seien, zumindest solange eine günstigere medikamentöse Lösung dafür nicht gefunden sei, nach wie vor ein existentieller Bestandteil dieses Programms.